Wegen vieler Nachfragen veröffentlichen wir hier einzelne Elemente des „Demenz-Codes“ von Udo Baer, einem Schlüssel zum Verständnis von Menschen mit Demenz.
Frau C. ruft ihre demenzkranke Mutter an. Diese beginnt das Gespräch wie fast immer in der letzten Zeit mit den Worten: „Na das wird ja auch Zeit, dass du mal wieder anrufst!“ Frau C. rechtfertigt sich, dass sie so viel zu tun habe und außerdem erst vor drei Tagen angerufen habe. Doch ihre Mutter hat den Anruf vergessen oder das Zeitgefühl verloren. Den Worten nach beginnt sie das Gespräch offensiv, mit einem Vorwurf. Die Tochter reagiert auf den Vorwurf und somit defensiv – verständlicherweise, weil dies einer langen Beziehungsgeschichte zwischen beiden entspringt.
Doch wenn man den Demenz-Code ernst nimmt, ist es sinnvoll, die Worte zu hinterfragen und vor allem auf das Gefühl hinter den Worten zu hören. Das Gefühl hinter den Worten der Mutter lautete: „Ich habe Sehnsucht nach dir.“ Würde Frau C. auf dieses Gefühl reagieren, wäre sie nicht in einer Verteidigungsposition, sondern könnte antworten: „Ich freue mich auch, mit dir zu reden.“ Oder: „Ich habe auch Sehnsucht nach dir.“
Besonders wenn Menschen mit Demenz bestimmte Sätze oder Redewendungen mehrfach oder bei bestimmten Gegebenheiten immer wiederholen, dann spricht einiges dafür, auf den emotionalen Subtext zu achten und ihm zu lauschen.
Manchmal gibt es kein Gefühl hinter den Worten, da sind Vorwürfe einfach Vorwürfe und Abwertungen meinen Abwertungen. Doch in den meisten Fällen lohnt sich die Frage nach dem emotionalen Hintergrund von Worten, vor allem sich wiederholenden Äußerungen, da viele Menschen mit Demenz nicht in der Lage sind, ihre Gefühle unmittelbar zu äußern und direkt an andere Menschen zu richten. Viele konnten das ihr Leben lang nicht und es hat sich in der Demenz verschärft, andere haben diese Fähigkeit im Prozess der demenziellen Entwicklung verloren.
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